19.11.2018
Sikora

Auswahl des passenden Messgeräts für die Extrusionslinie

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Lesedauer: 5 Minuten.

Ist über die Investition in ein Messgerät zu entscheiden, geht es abgesehen von den Kosten oft darum, welches „das Beste“ ist. So lassen sich Kenndaten, bei denen „mehr“ oder auch […]

Ist über die Investition in ein Messgerät zu entscheiden, geht es abgesehen von den Kosten oft darum, welches „das Beste“ ist. So lassen sich Kenndaten, bei denen „mehr“ oder auch „weniger“ als „besser“ angesehen wird, scheinbar problemlos vergleichen. Diese Vereinfachung birgt jedoch Tücken. So ist z. B. in der Digitalfotografie die Größe des Sensors und damit des einzelnen Pixels im Allgemeinen wichtiger als die Gesamtzahl der Pixel. Die Angabe der Pixelzahl ist in der Regel das relevante Verkaufsargument. Daher ist es sinnvoll, die Kenndaten zu einem Messgerät, ihre Definition und ihr Zusammenspiel genauer zu hinterfragen. Häufig fehlen erweiterte Angaben zu den Bedingungen, unter denen diese Kenndaten gelten, wie z. B. Temperatur, Positionsabhängigkeit etc.

Abb. 1: Absolute Genauigkeit und Wiederholgenauigkeit am Beispiel eines Schützen. (Abb.: Sikora)

Abb. 1: Absolute Genauigkeit und Wiederholgenauigkeit am Beispiel eines Schützen. (Abb.: Sikora)

Spezifikationen enthalten meist die folgenden Kenndaten: „Messbereich“, „Absolute Genauigkeit“ (auch „Richtigkeit“), „Wiederholgenauigkeit“ (auch „Präzision“) und „Messrate“. „Messbereich“ bedeutet: Objekte bis zu dieser Größe sind messbar. Manchmal ist hier aber auch der Sichtbereich angegeben – also der Bereich, in dem sich die Messobjekte bewegen dürfen. Bisweilen fehlt auch die Angabe über die minimal und/oder die maximal messbare Größe. Umgangssprachlich ist die „Genauigkeit“ die Gesamtheit aller Messfehler. Für die Beurteilung eines Messgerätes muss aber differenziert werden: die „absolute Genauigkeit“ meint den Vergleich eines mittleren Messwertes mit einem zertifizierten Normal, die „Wiederholgenauigkeit“ ist definiert als Streuung der Messwerte unter gleichen Bedingungen und somit eine charakteristische Angabe für das Rauschen des Messwerts eines Messgeräts selbst. Die Angabe eines Zahlenwerts für die „Wiederholgenauigkeit“ allein ist nicht ausreichend. So kann es sein, dass ein Anbieter hier die Standardabweichung von Einzelwerten angibt, während ein anderer diese aus einer Sequenz gemittelter Werte ableitet. Eine gängige Visualisierung der Begriffe „absolute Genauigkeit“ (auch „Richtigkeit“ genannt) und „Wiederholgenauigkeit (auch „Präzision“ genannt) ist in Abbildung 1 gegeben.

Abb. 2: Temperaturverlauf als Beispiel für Mittelungen. (Abb.: Sikora)

Abb. 2: Temperaturverlauf als Beispiel für Mittelungen. (Abb.: Sikora)

Die „Messrate“ eines Messgerätes ist die Häufigkeit pro Sekunde, mit welcher der Messwert generiert wird. Sie ist ein weiteres, wesentliches Vergleichskriterium, bei dem „mehr“ als „besser“ angesehen wird. Für einen objektiven Vergleich ist jedoch das Wissen um das Zusammenspiel aus Messrate, absoluter Genauigkeit und Wiederholgenauigkeit einer Einzelmessung entscheidend. Es kann sein, dass ein Messgerät mit höherer Messrate, aber schlechterer Einzelwertgenauigkeit zur Regelung oder Charakterisierung eines Prozesses ungeeigneter ist als eines mit niedrigerer Messrate, aber höherer Einzelwertgenauigkeit. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine geringe Einzelwertgenauigkeit eine lange Mittelungszeit erforderlich macht. Dabei droht die Gefahr, dass tatsächliche Produktvariationen, die innerhalb dieser Mittelungszeit auftreten, durch die Mittelung künstlich geschönt werden – im schlimmsten Fall sogar, dass die Spezifikation verletzt wird, ohne dass das Messgerät dies sichtbar macht. Wie sehr die Mittelung eines Messwerts die Wahrnehmung beeinflussen kann, lässt sich bildlich am Beispiel des Temperaturverlaufs über eine Woche im September 2000 darstellen (Abbildung 2).

Der dargestellte „tatsächliche Wert“ besteht aus Einzelmessungen in zehnminütigem Abstand. Eine Mittelung über eine Stunde glättet nur die Extremwerte. Über 12 Stunden gemittelt werden die täglichen Ausschläge der Temperatur geringer dargestellt, als sie tatsächlich sind. Wird der Mittelwert über einen kompletten Tag gebildet, geht die Information über die tägliche Temperaturvariation vollständig verloren. Wenn ein definierter Temperaturbereich nicht verlassen werden darf bzw. beim Erreichen bestimmter Temperaturen Prozesseingriffe erforderlich sind, wäre ein Gerät mit letzterer Mittelungstiefe nicht geeignet.

Ein konkretes Beispiel aus dem Bereich der Messtechnik in der Rohr- und Schlauchextrusion ist die Durchmessermessung nach dem Schattenprojektionsverfahren mit rotierenden Spiegeln. Hier werden oftmals hohe Messraten angegeben, welche sich aus der Umdrehungsrate multipliziert mit der Anzahl der Facetten ergeben. Angaben zur Genauigkeit werden allerdings auf Basis von Mittelwerten von bis zu einer Sekunde getroffen – der Grund hierfür liegt in der relativ schlechten Einzelwertgenauigkeit. Das hat verschiedene Ursachen. Jede Einzelmessung erfolgt mit einer anderen Spiegel-Facette. Produktbewegungen während der Messung vergrößern oder verkleinern das Produkt je nach Bewegungsrichtung, da die Messung beider Produktkanten nicht gleichzeitig, sondern sequentiell erfolgt. Nicht zuletzt liegt die Durchmesserinformation nur im Flankenübergang von dunkel nach hell und hell nach dunkel vor, den Rest der Zeit beträgt der Informationsgehalt der Messung gleich Null.

Bei anderen Messverfahren hingegen, wie z. B. dem Beugungssaumverfahren, welches bei den Durchmessermesssystemen der LASER Series 2000/6000 eingesetzt wird, werden Zeilenkameras verwendet (Abbildungen 3 und 4).

Zum einen werden hier die Produktkanten gleichzeitig abgebildet, zum anderen enthält jeder einzelne Pixel in einem weiten Bereich außerhalb des Produktschattens die Information über die Produktkanten. Eine viel höhere Einzelwertgenauigkeit führt dazu, dass der Messwert nicht annähernd so lange gemittelt werden muss, um ihn für die Führung oder Charakterisierung eines Produktionsprozesses zu verwenden.

Zusammenfassend ist daher festzustellen: Ein reiner Vergleich von Messraten ohne Berücksichtigung dieser Umstände ist offensichtlich nicht ausreichend. Für einen objektiven Vergleich zweier Messgeräte ist es daher zunächst wichtig, die Anforderungen des Prozesses klar zu definieren. Ebenso sollten die Katalogangaben der Hersteller hinterfragt und auf eine vergleichbare Basis gebracht werden, sodass die Investition in ein neues Messgerät sowohl zu einer Qualitätssteigerung, Prozessoptimierung als auch Kosteneinsparung führt. (Autor: Dr. Hilmar Bolte, Forschung & Entwicklung/Leitung Analyse Sikora AG)

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