21.02.2020
TU München

Hochleistungs-Polyamide aus biogenen Reststoffen

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Lesedauer: 4 Minuten.

Ein Forschungsteam der Fraunhofer-Gesellschaft und der Technischen Universität München (TUM) unter Leitung des Chemikers Volker Sieber hat eine neue Polyamid-Familie entwickelt, die sich aus einem Nebenprodukt der Zelluloseproduktion herstellen lässt. […]

Ein Forschungsteam der Fraunhofer-Gesellschaft und der Technischen Universität München (TUM) unter Leitung des Chemikers Volker Sieber hat eine neue Polyamid-Familie entwickelt, die sich aus einem Nebenprodukt der Zelluloseproduktion herstellen lässt.

Polyamide finden sich in Skibindungen genauso wie in Autos oder Kleidungsstücken. Kommerziell werden sie bislang meist auf Erdölbasis hergestellt; es gibt nur wenige biobasierte Alternativen, etwa auf Grundlage von Rizinusöl. Solche Verbindungen sind in der Herstellung oft deutlich teurer und können sich daher auf dem Markt bislang nur dann gegenüber Erdölprodukten durchsetzen, wenn sie besondere Eigenschaften haben.

Ein Team unter Leitung von Volker Sieber, Professor für Chemie biogener Rohstoffe an der TU München, hat nun eine völlig neue Polyamid-Familie entwickelt, die sich aus einem Nebenprodukt der Zelluloseproduktion herstellen lässt.

Monomereinheit des Poly-3S-caranamid. (Abb.: P. Stockmann / TUM)

Monomereinheit des Poly-3S-caranamid. (Abb.: P. Stockmann / TUM)

Der biogene Ausgangsstoff, (+)-3-Caren, ist aus zwei aneinander hängenden Ringen aufgebaut. Die Chemiker der TUM und des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Straubing modifizierten nun den einen Ring so, dass er sich unter Bildung von Polymeren öffnen lässt.

Der zweite Ring bleibt dabei jeweils erhalten. So entsteht anstelle einer linearen Polymerkette wie bei gewöhnlichen Polyamiden eine Kette, die viele kleine Ringe und weitere Seitengruppen trägt. Dies verleiht dem Polymer völlig neue Funktionen.

Spezielle Eigenschaften

Die neuen Polyamide überzeugen durch spezielle Eigenschaften, die sie für viele Anwendungen attraktiv machen. Sie werden beispielsweise erst bei höheren Temperaturen weich als die konkurrierenden Erdölprodukte. Zudem lassen sich die neuen Verbindungen sowohl transparent als auch teilkristallin herstellen, was bei gleichem Ausgangsstoff ihre späteren Einsatzmöglichkeiten vergrößert.

„Wir können leicht über Reaktionsbedingungen und Katalysatoren während der Synthese steuern, ob wir am Ende ein transparentes oder teilkristallines Polyamid erhalten“, erklärt Sieber. „Die Grundlage dafür bietet aber vor allem die spezifische Struktur der biobasierten Ausgangsstoffe, die aus fossilen Rohstoffen so nur sehr aufwändig zu erhalten wäre.“

Gewinn an Nachhaltigkeit

Aus industrieller Sicht überzeugend ist, dass die Synthese quasi in einem Reaktionsbehälter passiert. Dieses „one-pot“-Verfahren ermögliche es nicht nur, die Kosten deutlich zu reduzieren, sondern bedeute auch einen deutlichen Gewinn an Nachhaltigkeit, so Sieber.

Der biogene Ausgangsstoff (+)-3-Caren lässt sich nämlich aus bei der Zelluloseindustrie als Nebenprodukt anfallendem Terpentinöl mit verhältnismäßig geringem Aufwand in hoher Reinheit herausdestillieren.

Bislang wurde das Terpentinöl in den Zellulosefabriken nur verheizt. „Wir verwenden es als wertvollen Ausgangsstoff für Kunststoffe“, sagt Sieber. „Das ist eine enorme Wertsteigerung.“

Keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion

Paul Stockmann und Dr. Van Opdenbosch mit dem Reaktor, in dem das polymerisationsfähigen Monomer aus dem Naturstoff 3-Caren hergestellt wurde. (Foto: C. Zollfrank / TUM)

Paul Stockmann und Dr. Van Opdenbosch mit dem Reaktor, in dem das polymerisationsfähigen Monomer aus dem Naturstoff 3-Caren hergestellt wurde. (Foto: C. Zollfrank / TUM)

Sieber weist darauf hin, dass man beim Terpentinöl nicht, wie etwa bei der Verwendung von Rizinusöl, in Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehe. Noch sind die Forscher mit der erreichten Gesamtausbeute des Prozesses nicht ganz zufrieden, sie liegt bei 25 Massenprozent.

„Dank der einfachen Skalierbarkeit ist das Potenzial für einen effizienten Prozess sehr hoch“, sagt Paul Stockmann, auf dessen Doktorarbeit an der TUM die Ergebnisse beruhen. Beim Fraunhofer-IGB arbeitet der Chemiker nun daran, (+)-3-Caran-basierte Polyamide als Alternative für erdölbasierte Hochleistungspolyamide am Markt zu etablieren.

Die Arbeiten wurden durch das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) finanziell gefördert.

cbr.cs.tum.de

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